Egidius Braun – 20 Jahre nach der Wahl zum DFB-Präsidenten
24. Oktober 2012 Zurück zur Artikelübersicht »
Als Kind wollte er Lokführer werden. Ja, schon als Kind wollte Egidius Braun die Menschen zu einem Ziel führen. Später, vor und nach der Kriegszeit, wurde er Kartoffelhändler. Er wusste schon immer, was die Menschen brauchten. Er wusste es auch am 24. Oktober 1992, vor 20 Jahren, als er zum DFB-Präsidenten gewählt wurde. Ein Amt, das er krankheitsbedingt am 28. April 2001 aufgeben musste. Rainer Kalb blickt zurück.
Egidius Braun hatte, als  die Begriffe Nachhaltigkeit, gesellschaftspolitische Verantwortung und soziale Kompetenz noch in irgendwelchen Fremdwörterbüchern ihr Dasein fristeten, bereits erkannt, dass der Fußball als Profifußball nur überleben kann, wenn er auch gibt, statt nur nimmt. „Fußball – Mehr als ein 1:0!“ wurde sein Lebensmotto. Braun hat dieses in seinem Heimatverein, dem SV Breinig, dann im Fußballverband Mittelrhein gelernt und verfeinert, im DFB umgesetzt  und in der UEFA als Schatzmeister zur Blüte gebracht. Es gab in Westeuropa – auch in Deutschland – gravierende Stimmen, die EM- und WM-Qualifikationen  auflösen wollten. KO – Spiele unter den Kleinen, damit die Großen unter sich bleiben. Braun blieb eisern: „Wir müssen den ‚Kleinen‘ die Fernsehgelder aus den reichen Ländern erhalten. Einmal gegen Deutschland – und zwei Jahre Verbandsarbeit sind gesichert. Wir dürfen das Flämmchen der Hoffnung nicht auspusten.“

Jahrzehnte später hat Michel Platini daraus gelernt, indem der heutige UEFA-Präsident vier Klubs aus kleinen Verbänden ein Startrecht in der Champions League einräumt. Und auch die Vergrößerung der Europameisterschaft auf 24 Teilnehmer 2016 in Frankreich folgt diesem Weg.

„Pater Braun“, wie er angesichts seiner sozialen Ader erst spöttisch, dann mehr und mehr respektvoll betitelt wurde,  konnte auch fuchsteufelswild werden. Der Mann, der die Kampagnen „Keine Macht den Drogen“ und „Kinder stark machen“ mit auf den Weg gebracht hatte, der Mann, der 1986 während der WM in Mexiko im damaligen Stammquartier in Querétaro die Nationalspieler dazu bewegte, mit einer Spende die heute noch bestehende „Mexico-Hilfe“ zu gründen, dieser Mann ließ, nachdem es in Solingen einen Brandanschlag auf ein überwiegend von Türken bewohntes Haus gegeben hatte, am 5. Oktober 1993 in Augsburg die Nationalmannschaft gegen eine Auswahl von in der Bundesliga tätigen Ausländern antreten. Das Motto: „Mein Freund ist Ausländer.“

Braun-Stiftung engagiert sich für soziale Integration und Gesellschaftspolitik

Das stimmte für den deutschen Profifußball, aber nicht für die deutschen Steuerbehörden. Die kassierten 50 Prozent der für die Hinterbliebenen gedachten Einnahmen für Väterchen Staat. Egidius („Der Schildhalter“ aus dem Altgriechischen) stellte ausnahmsweise kein Hinweisschild auf, sondern packte den Kriegsschild aus. Er beauftragte den im DFB-Präsidium für Soziales zuständigen Dr. Theo Zwanziger nach Möglichkeiten zu suchen, solche Vorkommnisse in der Zukunft zu vermeiden.

Das mündete 2001 in der Gründung der DFB-Stiftung Egidius Braun. Es ist nach der 1977 geschaffenen Sepp-Herberger-Stiftung die zweite des DFB. Sie kümmert sich  laut Präambel um „soziale Integration und Gesellschaftspolitik“. Später kommt noch eine Kulturstiftung hinzu.
Nicht vergessen werden dürfen die unermüdlichen Bemühungen Brauns um eine Integration der Vereine der neuen Bundesländer in den DFB und sein Werben hinter den Kulissen um die WM 2006. Auf der Bühne glänzte natürlich Franz Beckenbauer, aber das Wirken und Werken des damaligen UEFA-Schatzmeisters darf nicht unterschätzt werden.

Egidius Braun, heute Ehrenpräsident des DFB, war in seiner Amtszeit ein Visionär, und diese Visionen sind heute in Formen gegossen und stehen festgemauert in der Erde. Und trotz aller Auszeichnungen und Ehrenbeweisungen, die ihm in seinem Leben widerfahren sind, war ein Moment für ihn der schönste: Als Carla Maria, ein inzwischen verheiratetes Patenkind der „Mexico-Hilfe“ und seit April Mutter, zum 25jährigen Bestehen der Mexico-Hilfe eigens ihn in Aachen besuchen kam… viel mehr als ein 1:0!