Forster: “Gold hätte bitteren Beigeschmack gehabt”
19. März 2014 Zurück zur Artikelübersicht »

Fast ein Jahr hat sie dafür geschuftet. Im Kraftraum, auf Kunstschnee in der Halle, auf unzähligen Alpengletschern. Im russischen Sotschi am Schwarzen Meer hat sie jetzt ihren Traum in Weiß wahr werden lassen.

Die 18-jährige Anna-Lena Forster aus Radolfzell am Bodensee, das Küken der deutschen Equipe, hat bei den Paralympics drei olympische Medaillen gewonnen: Silber im Slalom und der Superkombination, Bronze im Riesenslalom. Forsters intensive Förderung ermöglichte auch der Fußball.

Am Dienstag trug sie sich ins Goldene Buch ihrer Heimatstadt ein, danach wurde groß gefeiert. Etwas Zeit fand Anna-Lena Forster dennoch, um im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth über die rasante Entwicklung im Monoski zu sprechen, über die Angst bei 100 Sachen, die Rivalität mit ihrer Teamkollegin Anna Schaffelhuber und die Unterstützung durch die DFB-Stiftung Egidius Braun.

DFB.de: Frau Forster, herzlichen Glückwunsch zu zwei Silber- und einer Bronzemedaille in Sotschi. Wie viel Arbeit steckt dahinter?

Anna-Lena Forster: Nach dem Abitur habe ich mir gesagt, jetzt nehme ich mir einfach die Zeit und bereite mich konzentriert auf die Paralympics vor. Im letzten Sommer ging’s los mit intensivem Kraft- und Ausdauertraining. Im September bin ich dann zum Techniktraining in die Skihalle gegangen. Den Herbst über waren es Intervalle von fünf Tagen hartem Training in den Bergen, dann wieder vier Tage zu Hause. Wir haben auf Gletschern in Österreich, Italien und der Schweiz trainiert. Im Dezember begann der Europacup. Und den Januar war ich die meiste Zeit in Kanada und in den USA wegen einiger Weltcuprennen. Ich freue mich jetzt also ehrlich darauf, wieder ein paar Tage zu Hause zu sein.

DFB.de: Vor Sotschi träumten Sie von einer paralympischen Medaille – jetzt sind es drei geworden. Wie zufrieden sind Sie mit der Ausbeute?

Forster: Wahnsinn, damit hatte ich nie gerechnet. Die Konkurrenz im Weltcup war sehr stark, aber in Sotschi habe ich dann meine Leistung am besten abrufen können. Und die anderen hatten Probleme mit der Piste, weil der Schnee aufgrund der Temperaturen sehr weich war. Als die Veranstalter dann Salz gestreut haben, wurde die Piste sehr unruhig.

DFB.de: Wie viel ist beim Monoski Technik, wie viel körperliche Kraft?

Forster: Man braucht schon die Kraft, um das Gerät lenken zu können. Es wird ja alles aus der Hüfte und dem Oberkörper gemacht. Durch den Hüftdruck fährt man die Kurven. An den Händen hat man die Flicflacs oder Krückski, um die Fahrt zu stabilisieren. Jede Athletin hat ein individuell angepasstes Gerät, wir haben viel daran rumgebastelt.

DFB.de: Wie teuer ist Ihr Monoski?

Forster: Mein Sportgerät hat ungefähr 5000 Euro gekostet.

DFB.de: Sie werden durch die Sporthilfe und die DFB-Stiftung Egidius Braun gefördert. Wie wichtig war die zusätzliche Unterstützung durch den Fußball?

Forster: Sehr wichtig. Ich hätte die einzelnen Trainingsphasen nicht in diesem Umfang durchziehen können. Außerdem konnte ich mir so einige Trainingsgeräte leisten, und einen neuen Laptop habe ich mir auch noch gekauft. Die Arbeit rund ums Sponsoring und die Medien, da muss man als paralympische Athletin auch viel in Eigenregie erledigen. Der Laptop kam dafür wie gerufen. Die Förderung durch die Braun-Stiftung war eine super Unterstützung.

Podium in Sotschi: Silber für Forster, Gold an Schaffelhuber, Bronze für Joines (v.l.n.r.)

Podium in Sotschi: Silber für Forster, Gold an Schaffelhuber, Bronze für Joines (v.l.n.r.)

DFB.de: Als Ihre deutsche Teamkollegin Anna Schaffelhuber disqualifiziert wurde, waren Sie für einen Moment Slalomsiegerin. Die Disqualifizierung wurde wieder aufgehoben, Sie mussten mit Silber vorlieb nehmen. Trauern Sie dem verpassten Gold noch nach?

Forster: Nein, überhaupt nicht. Es war eine faire Entscheidung, und Anna hat das Gold verdient. Sie hat am Start keinen Fehler gemacht, die Disqualifikation war total unberechtigt. Gold für mich hätte einen bitteren Beigeschmack gehabt.

DFB.de: Wahrscheinlich werden Sie und Anna Schaffelhuber noch ein paar Jahre gemeinsam und gegeneinander in der Weltspitze antreten. Im Olympischen Dorf haben Sie auch das Zimmer geteilt. Wie groß ist die Rivalität?

Forster: Die bleibt jedenfalls am Berg. Ansonsten verstehen wir uns super. Das muss auch so bleiben. Wir betreiben Leistungssport, aber es soll auch Spaß machen.

DFB.de: Es gibt diesen Videoblog, da zeigen Sie, wie man die Schranktür als Rollstuhlfahrer kaum aufkriegt, so schlecht geschnitten waren die Zimmer in Sotschi. Wie waren die Bedingungen im Paralympischen Dorf?

Forster: Größtenteils okay. Es gab Rampen, man kam also überall hin. Die Wege waren kurz, überall standen Shuttlebusse, die einen zur Gondel oder ins Alpincenter gefahren haben. Leider haben wir uns nicht viel mit den anderen Sportlern im Dorf austauschen können. Ich war bei fünf Rennen am Start, unsere Zeit war sehr eng berechnet.

DFB.de: Wie hoch ist das Niveau im alpinen Skisport der Behinderten?

Forster: In Turin vor acht Jahren haben die “Monomädels” noch keine Stangen angefahren. Heute kann man nicht mehr mithalten, wenn man nicht jede Stange attackiert. Es ist wichtig, dass wir als Sportart immer besser und attraktiver werden.

DFB.de: Sie kamen ohne rechtes Bein zur Welt, Ihr linkes Bein ist stark verkürzt. Mit sechs Jahren haben Sie trotzdem mit dem Skifahren angefangen. Wie kam es damals dazu?

Forster: Ganz einfach – meine Eltern fahren total gerne Ski und haben mich immer mitgenommen. Die wollten dann auch nicht, dass ich alleine auf der Hütte sitze. Ich wurde nie verhätschelt oder übertrieben umsorgt. Das wäre auch nichts Gescheites geworden.

DFB.de: Wer war für Ihr Skifahren die treibende Kraft, der Vater oder Ihre Mutter?

Forster: Beide. Meine Eltern wollten einfach, dass die ganze Familie zusammen Urlaub macht. Auch Skiurlaub.

DFB.de: Akzeptieren Sie Grenzen?

Forster: Für mich gilt schon: “Geht nicht, gibt’s nicht!” Wenn mir aufgrund meiner Behinderung irgendetwas unmöglich ist, versuche ich, es einfach auf eine andere Art zu lösen.

DFB.de: Wie bewegen Sie sich im normalen Leben, wenn Sie nicht Ski fahren?

Forster: Normalerweise bin ich im Rollstuhl unterwegs, aber ich habe auch immer kleine Krücken dabei. Wenn mal Treppen oder so im Weg sind, hole ich die raus, steige die Treppen hoch, und bitte halt jemanden, ob er mir den Rollstuhl gibt. Ansonsten habe ich das alte Auto von meinem Opa geerbt, das haben wir dann umbauen lassen.

DFB.de: Sie rasen auf einem Monoski mit 90 Kilometern den Berg runter. Haben Sie keine Angst?

Forster: In Sotschi waren’s mehr als 90, da haben wir die 100 Stundenkilometer geknackt. Der Respekt fährt mit, das ist auch wichtig, sonst fährt man hirnlos. Bremsen ist bei der Abfahrt gefährlicher, als den Ski laufen zu lassen. Wenn du bei den Geschwindigkeiten versuchst, den Ski anzudrehen, bleibt man womöglich an einem Hubbel hängen, und dann überschlägt’s einen so dermaßen.

DFB.de: Inwieweit ist der normale Skitourismus eigentlich behindertengerecht?

Forster: Es fehlen Toiletten für Behinderte. Ein paar Sachen gäbe es schon noch, die man verbessern könnte.