09. März 2017 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wolfgang Watzke ist eine gewichtige Person – in jeglicher Hinsicht. Wenn der Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun und der DFB-Stiftung Sepp Herberger einen Raum betritt, wirft er lange Schatten. Wenn er am Tisch sitzt und kontroverse Themen diskutiert, auch. Seine Erscheinung hat Gewicht, aber ebenso sein Wort. Die Journalisten Ralph Durry und Rainer Kalb über den scheidenden Geschäftsführer, den alle nur „WW“ nennen.
Watzkes Schatten liegen einerseits an der unbestreitbaren Körperlänge und Korpulenz. Andererseits an der Breite im Wissen um Sport, Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und der messerscharfen Logik bei Diskussionen um Realpolitik und Utopie, um das Wünschenswerte und das Machbare. Auf dieser Schneide hat der Bär aus Bonn immer brillant getanzt.
Wolfgang Watzke ist, wie wir Autoren ihn kennengelernt haben, ein Mensch voller Wissen, Gradlinigkeit, Aufrichtigkeit und rheinischem Humor. In allen Diskussionen hat er uns immer als „Lümmel“ beschimpft, aber nie „Lügenpresse“ genannt. Seine Weltoffenheit zeigt sich darin, dass er im vorigen Jahrtausend bereits den Kicker einlud, mitzumachen statt zu schwafeln. Und in diesem Jahrtausend ist es ihm gelungen, eine Kooperation mit dem SID einzugehen. Der Sport-Informations-Dienst, der heute zum AFP-Konzern gehört, ist Europas größte Sport-Nachrichtenagentur.
Na ja, WW war eben seit 1980 nicht nur Jugendsekretär des Fußball-Verbandes Mittelrhein, sondern auch Pressereferent. Was seine Nähe zu Egidius Braun erklärt. Außerdem waltete er 26 Jahre ehrenamtlich in der Spruchkammer des Fußballkreises Bonn. Und in dieser Eigenschaft hat er gewiss andere Lümmel kennengelernt als harmlose Sportjournalisten.
Berühmt-berüchtigte Grübelsplitter
Um das mit dem rheinischen Humor zu klären: Jahrelang hat er die Geschäftsstelle betreten und die beiden Assistentinnen mit einem „Morgen, Männer“ begrüßt. Diese ironische Aushebelung aller Umgangsformen und gleichzeitige Anerkennung von Gleichberechtigung macht seine Freiheit aus. Er hat ja auch vor Gremien und Granden im DFB nie gekuscht, sondern auch schon im Mittelrhein-Verband seinem Chef Egidius Braun die Stirn geboten. Berühmt-berüchtigt sind seine „Grübelsplitter“.
Er ist ein genialer Flüsterer, nie ein Vasall. Das hat den späteren DFB-Präsidenten Braun dazu bewogen, Watzke 2001 zum Geschäftsführer der nach ihm benannten Stiftung zu machen. Schon seit 1986 hatte Watzke die Arbeit der Mexico-Hilfe koordiniert. Im August 2009 kam die Geschäftsführung der Sepp- Herberger-Stiftung hinzu.
Watzke hat immer dafür gekämpft, dass die dritte Säule des DFB – die soziale und gesellschaftliche Verantwortung neben der Vertretung der Interessen des Profi- und Amateurfußballs – hoch gehalten wird, auch wenn manche Funktionäre anfangs darüber lächelten oder hinter vorgehaltener Hand sogar lästerten. Klar ist aber nach all den Jahren auch: Hätten der DFB und die DFL in dieser Zeitspanne nur gescheffelt und nie gegeben, hätte der (Profi-)Fußball heute eine enorme Glaubwürdigkeitslücke und, gerade in der Politik, nicht mehr den Rückhalt, den er heute noch genießt.
Interesse für die Menschen
Kernstück des immer breiter gewordenen Engagements der DFB-Stiftung Egidius Braun war die Mexico-Hilfe. Wer miterlebt hat – und die beiden Autoren durften es zwecks Reportagen miterleben – wie Watzke das Herz aufging, wenn er bei Kontrollbesuchen sah, wie sich die Projekte über Jahrzehnte entwickelten, wie neue Hilfen griffen, der begriff: Watzke interessiert sich für die Menschen, und für Steine nur, wenn sie menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Und Mexiko ist zu einer Art zweiter Heimat geworden. Viele Besuche haben Wolfgang Watzke und seine ebenso umtriebige Ehefrau Juliane in das Reich der Azteken geführt. Etliche Helfer vor Ort schwören auf „WW“, der immer versucht, alles Menschenmögliche möglich zu machen. Aufgeben ist nicht seine Sache. Und mit seiner Penetranz hat er häufig Erfolg. Wenn „WW“ sich bei einstigen Fußball-Koryphäen wie Rudi Völler, Toni Schumacher, Hans-Peter Briegel oder Guido Buchwald meldet, dann können sich diese seiner verbalen Überzeugungsarbeit kaum entziehen. Und immer steht das Projekt, die Mexico-Hilfe oder speziell das Projekt der „Casa de Cuna“, des Waisenhauses in Querétaro, im Mittelpunkt.
Ohne vertrauensvolle und engagierte Mitarbeiter vor Ort geht es nicht, aber Watzke hat die Eigenschaft, eine besondere Beziehung herzustellen. Einerseits sind sie vor Ort auf sich allein gestellt, andererseits wissen sie, dass auf dem „Stiftungsberg“ in Hennef jemand sitzt, der immer bereit ist zu helfen, sollte Hilfe vonnöten sein. Entstanden ist eine über mehr als drei Jahrzehnte andauernde Vertrauensbasis. Und die Familie Watzke hat sich häufig selbst ein Bild davon gemacht, was aus den Kindern der „Casa de Cuna“ geworden ist. Etliche haben ihnen am einstigen Wohnsitz in Bonn oder jetzt in Bad Honnef einen Besuch abgestattet. Und wenn „WW“ seine „Brocken“ spanisch zusammenkratzt und eine Konversation anfängt, dann hat auch das seinen ganz besonderen Charme.
Lustig ist es auf jeden Fall, mit Wolfgang Watzke zu reisen. Auf Inlandsflügen in Mexiko konnte es schon mal passieren, dass die Sicherheitsgurte der Leibesfülle der rheinischen Frohnatur nicht ganz entsprachen und das Anschnallen unmöglich machten. Dann wird halt nur ein Arm „angeschnallt“ – fertig ist die Laube! Die hilflosen Blicke der Stewardess kann sich jeder vorstellen.
Und toll ist auch seine Eigenschaft, sich immer neugierig auf alles Neue einzulassen. Ein Essen, das er nicht probieren würde, muss wohl noch erfunden werden. Auch die landestypische mexikanische Kost, die vielen ausländischen Blicken angesichts der Schärfe nur beim bloßen Ansehen die Schweißperlen auf die Stirn treibt, entlockt ihm nur ein müdes Lächeln. Es wird probiert, das steht außer Frage.
„WW“ wird eine Marke bleiben
Was lässt sich noch mehr über den Menschen Wolfgang Watzke sagen? Da muss wieder auf den rheinischen Humor zurückgekommen werden. Meistens beendet er Telefonate mit dem Satz: „Und grüße bitte Deine regierende Fürstin, wenn Du zu Wort kommst.“ Was nur scheinbar im krassen Widerspruch zu der eingangs angeführten morgendlichen Begrüßung der Assistentinnen steht. Übrigens: Dieser Mensch trägt jeden Tag Krawatte. Außer an „Altweiber“, dem Frauen-Tag im Kölner Karneval, wo abgeschnitten werden darf. Kann es ein größeres Kompliment an die „Männer“ im Büro geben?
Zwei seiner wesentlichen Charakterzüge sind das Zuhören-Können, das Abwägen. Aber dann, wenn er sich eine Meinung gebildet hat, setzt er diese mit unerbittlicher Hartnäckigkeit in die Realität um. Von diesem Lied können seine Gesprächspartner viele Strophen singen.
Wenn er alten Zeiten nachtrauert, beklagt „WW“ sich nostalgisch, dass es keine Briefmarken mehr gebe, sondern alle Post – so es die in Zeiten der Mails noch gibt – per Freistempler verschickt werden. Denn, was kaum jemand weiß: Watzke ist leidenschaftlicher Briefmarkensammler. Und in dem Bund philatelistischer Prüfer – den gibt es tatsächlich! – ist er Experte für Lettland. Weshalb er immer darum bittet, ihm Post mit „richtigen“ Briefmarken zuzuschicken. Die sind im Baltikum begehrtes Tauschobjekt, selbst wenn sie hier nur landesübliche Handelsware darstellen. Auf Post ist Watzke immer noch gespannt.
Es ist gewiss: Auch im (Un-)Ruhestand wird der Frei-Denker und ewige Bonvivant keine Ruhe geben. Hier mal ein Marmelädchen kochen, dort mal ein Jazz-Konzert besuchen, zwischen den Häusern am Rhein und in Franken wählen, auf einem Trödelmarkt oder im Internet nach Schätzchen suchen, auch wenn er sich mit den Tücken des Computers schwer tut: für Beschäftigung ist immer gesorgt. „WW“ wird weiter eine Marke bleiben – und hat in seinem Berufsleben für den Fußball Zeichen gesetzt.